Zum 50 jährigen Jubiläum des Haus am Lützowplatz und des 150 jährigen der SPD zeigt das Haus am Lützowplatz in Kooperation mit dem Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V. über 60 Werke zum Thema „Arbeit“ aus der Sammlung im Willy-Brandt-Haus. Hierbei handelt es sich um einen ausschnitthaften Einblick in die Kollektion, die 1996 zur Eröffnung der SPD Parteizentrale in Berlin gegründet wurde. Mit der Wiedergründung einer Kunstsammlung sieht sich die SPD ihrer Tradition einer bis 1933 existierenden eigenen Kunstsammlung verpflichtet, die von Heinrich Zille und Wilhelm Oesterlein maßgeblich geprägt wurde. Von dieser Sammlung sind keine Aufzeichnungen oder Werke erhalten geblieben. Die neue Kunstsammlung der SPD umfasst mittlerweile mehr als 3000 Werke aus über 100 Jahren Kunstgeschichte. Neben den Schwerpunkten „Staatsferne Kunst in der DDR“, „Politikerporträt“ und „Zeitgenössischer Kunst“ ist die klassische Moderne ein Themenfokus. Zahlreiche Werke im Bestand der SPD weisen direkte Bezüge zur sozialdemokratischen Geschichte oder zur Arbeiterbewegung auf. Da das Haus am Lützowplatz von führenden Vertretern der SPD und der Gewerkschaften gegründet wurde, erinnert die Jubiläumsausstellung an diese Verbindungen.
Die Ausstellung „Streitobjekt Arbeit“ präsentiert ca. 60 Werke aus der Zeit zwischen 1910 bis 1939, einer Zeit intensiver künstlerischer Bildproduktion, bedingt und angeregt durch den Prozess der Industrialisierung. Die Ausstellung ist überwiegend thematisch aufgebaut und umfasst verschiedene Ausdruckstechniken von Industriegemälde über politischem Konstruktivismus (Gerd Arntz, Franz Wilhelm Seiwert, Heinrich Hoerle) bis sozialkritischem Realismus (Hans Baluschek). Um den politischen Ansatz der Ausstellung zu unterstreichen, stehen bestimmte wiederkehrende Motive und Bildinhalte (bspw. Hunger) im Vordergrund; Rezeptionsgeschichten, Entstehungskontexte sowie kunsthistorische Fragestellungen werden eher nachrangig behandelt.
Für die Ausstellung wird (in Anlehnung an Klaus Türks „Bilder der Arbeit“) folgender Rundgang vorgeschlagen: Beginnend mit Ansichten von Arbeitsorten und Konstruktionsprinzipien moderner Technik (Industriebilder von Walter Dexel, Walter Schleppegrell) sowie visuellen Statements zum Verhältnis von Technik und Mensch (Oskar Nerlinger) zeigt die Ausstellung Bildern von werktätigen Menschen. Hier werden unterschiedliche Interpretationen des Arbeiters vorgestellt (Otto Griebel, George Grosz, Elfriede Lohse-Wächtler). Schattenseiten der Arbeit/Nicht-Arbeit findet in einem Extra-Kapitel Beachtung (Pfändung, Entlassung, Armut, körperliche Versehrtheit von Gunter Katzke, Karl Holtz, Willibald Krain). Dieser Abschnitt geht in Bilder des Arbeitskampfes über (Käthe Kollwitz, Gerta Overbeck-Schenk) und greift auch künstlerische Kritik an Herrschaftsverhältnissen auf (George Grosz). Den Darstellungen vom Ruhrkohlerevier Conrad Felixmüllers ist eine eigene Sektion gewidmet, auch der politische Konstruktivismus von Gerd Arntz, Franz Wilhelm Seiwert und Heinrich Hoerle wird thematisiert.
„Streitobjekt Arbeit“ möchte daran erinnern, dass die bildende Kunst in dieser Zeit der Hochindustrialisierung explizit politisch geworden ist und mit ihren Mitteln versucht hat, die gesellschaftliche Wirklichkeit zu verändern. Die präsentierten Künstlerinnen und Künstler haben damalige Formen der Arbeit reflektiert und kritisiert. Welche Relevanz haben die Bilder heute? Sind sie Kitsch, Nostalgie oder Mahnung? Steckt in ihnen noch immer ein revolutionärer Impetus? Heutige Arbeitsdiskurse scheinen nicht mehr so klar abbild- oder transportierbar. Dennoch liegt in den Bildern dieser Phase noch immer eine Verbindung zum heute, so die These der Ausstellung. Erneut befinden sich Arbeitswelten im Wandel. In unserer heutigen Gesellschaft befinden sich die traditionellen Beschäftigungsverhältnisse auf dem Rückzug und in Zukunft wird es eine Vielfalt an Arbeitsformen geben, der Umbruch von einer Industrie- zu einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft ist schon seit Jahren in vollem Gange. „Streitobjekt Arbeit“ thematisiert, dass um Fragen des Werts und der Definition der Arbeit schon immer und noch immer gestritten wird, es zu klären gilt, was an die Stelle der alten Erwerbsarbeit tritt und wie der vermeintliche Gegensatz zwischen geistiger, kreativer und körperlicher Arbeit aufgehoben werden kann. Dafür steht die Ausstellung „Hartz4Arts“ von KUNSTPALAST BERLIN. Die hier beteiligten Künstler/innen wurden eingeladen, die SPD Sammlungspräsentation mit ihrem Projekt um eine reale Dimension zu ergänzen. Hartz4Arts wirft die Frage auf, inwiefern bildende Künstler als Leittypen in dem gegenwärtigen Wandel der Arbeitsgesellschaft fungieren können oder müssen. Bei Künstlerinnen und Künstlern, die von ihrem Schaffen oftmals nicht leben können, existieren keine klaren Trennlinien zwischen Arbeit, Kunst und Freiheit. Somit wird die Vision einer Tätigkeitsgesellschaft entworfen, in der der Arbeitsbegriff über die Erwerbsarbeit hinaus auf andere Felder ausgeweitet wird.
Kuratiert von Dr. Maren Ziese
Künstlerliste
Arntz, Gerd
Baluschek, Hans
Dexel, Walter
Dix, Otto
Felixmüller, Conrad
Griebel, Otto
Grosz, George
Grundig, Hans
Grundig, Lea
Hahn, Karl
Hasse, Sella
Hoerle, Heinrich
Katzke, Gunter
Kollwitz, Käthe
Krain, Willibald
Lohse-Wächtler, Elfriede
Nerlinger, Oskar
Orlik, Emil
Overbeck-Schenk, Gerta
Raffelsieper, Karl
Rose, Hajo
Rüter, Heinrich
Schleppegrell, Walter
Schlichter, Rudolf
Schwichtenberg, Martel
Seiwert, Franz Wilhelm
sowie die Künstlerinnen und Künstler von KUNSTPALAST BERLIN
Pressestimmen (Auswahl)
Tagesspiegel: „Im Haus am Lützowplatz kommt zur Zeit allerhand zusammen. Das Kunsthaus feiert sein 50-jähriges Bestehen, der Geburtstag von Mitbegründer Willy Brandt jährt sich zum 100. Mal und die SPD wird Ende Mai 150. Aus diesen Anlässen zeigt das gewerkschaftsnahe Haus eine kleine, feine Ausstellung: „Streitobjekt Arbeit“ stellt knapp 50 Werke zum Thema Industriearbeit aus der Sammlung des Willy- Brandt-Hauses vor.“ (Claudia Wahjudi, 25.4.2013)
http://www.tagesspiegel.de/kultur/kapitalisten-und-kohlenarbeiter/8117248.html
Vorwärts: „Die SPD, die ihre 1933 zerschlagene Kunstsammlung 1996 neu begründete, sammelt unter anderem Werke dieser Verfemten der Klassischen Moderne. Die wunderbare Schau im Haus am Lützowplatz präsentiert sie der Öffentlichkeit und zeigt, wie zeitgemäß der Diskurs ist, den diese Bilder heute anstoßen können.“ (Birgit Güll,29. 04. 2013)
http://www.vorwaerts.de/98056/streitobjekt_arbeit.html
Der Hauptstadtbrief: „Die Welt der Arbeit wurde zu einem großen Thema der bildenden Kunst. Der Künstler sollte Partei ergreifen: Maler wie Dix, Felixmüller, Grosz, Franz W. Seiwert, Lea Grundig, Käthe Kollwitz oder die Fotografen John Heartfield und August Sander engagierten sich für die Entrechteten, die ihre Haut zu Markte trugen: „Wem gehört die Welt?“ war demnach nicht nur eine politische, sondern auch eine ästhetische Kampflosung.“ (Peter Funken, 8.5.2013)
http://www.derhauptstadtbrief.de/cms/index.php/90-der-hauptstadtbrief-115/328-nehme-jede-arbeit-an
Berliner Zeitung: „Zu sehen sind packende Bilder der Arbeitswelt im frühen 20. Jahrhundert, veristische Zeichnungen von Grosz, herbe Drucke der Kollwitz, Arbeiterszenen von Felixmüller, die einen tiefen Einblick in die prekäre, durchindustrialisierte Arbeitswelt der 1920er und 30er Jahre geben.“ (Irmgard Berner, 13.5.2013)
http://www.berliner-zeitung.de/kultur/-marc-wellmann-neues-vom-haus-am-luetzowplatz,10809150,23074586.html
Programm zur Ausstellung
25. April 201319.00 Uhr
Ausstellungseröffnung
Streitobjekt Arbeit – Kunstwerke aus der Sammlung im Willy-Brandt-Haus und hartz4arts von Kunstpalast Berlin 26. Mai 2013
15.00 Uhr
2. Salon für kritische Kunstvermittlung
Das Arbeitsfeld Kunstvermittlung im Widerstreit: Strukturen, Aufgaben, Entlohnung, Qualität, Verbündete