Alex Tennigkeit

Caput Sanctum (Holy Head), 2022

Öl auf Leinwand

70 × 60 cm

 

Werkbeschreibung:
Das Gemälde zeigt eine mystische und zugleich verstörende Szene. Im Mittelpunkt steht eine kopflose Figur in einem dunklen, priesterähnlichen Gewand mit goldgelben Ärmelabschlüssen und Kragen. Die Figur hält ihren eigenen, abgetrennten Kopf mit beiden Händen vor sich. Der Kopf trägt eine reich verzierte Bischofsmitra, besetzt mit roten und weißen Edelsteinen, und hat geschlossene Augen sowie einen friedlichen, fast entrückten Ausdruck.

Die Komposition ist symmetrisch und monumental: Die dunkle Robe des Körpers steht im Kontrast zu dem detailreichen, feierlich geschmückten Kopf. Der offene Halsstumpf ist sichtbar, aber ohne blutige oder grausame Details dargestellt, was die Szene fast ikonisch oder übernatürlich erscheinen lässt.

Der Hintergrund zeigt eine surreal anmutende Landschaft mit rötlichen Felsen, Palmen und einem Himmel in intensiven Blau-, Rot- und Violetttönen, die an einen dramatischen Sonnenuntergang erinnern. Die Natur wirkt fremdartig und verstärkt die mystische Atmosphäre des Bildes.

 

Katalogtext:
Alex Tennigkeit wurde 1976 in Heilbronn/Baden-Württemberg geboren. Von 1996 bis 2002 studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe und war 2001 bis 2002 Meisterschülerin von Andreas Slominski. Im Jahr 2015 war sie Gründungsmitglied des MalerinnenNetzWerks Berlin−Leipzig (MNW). Die Künstlerin interessiert sich für symbolisch aufgeladene Motive und deren Neudeutung. Dabei untersucht sie, ob es möglich ist, vorbelastete Symbole anders zu interpretieren oder ihnen einen subjektiven Inhalt zu verleihen. Ihre Kunst reflektiert das „Zurückgeworfensein“ auf das eigene Ich und das Streben nach Erlösung, das sie durch die ungezügelte Verwendung ihres Selbst untersucht. In provokativen Selbstinszenierungen bricht sie ihre Biografie und Körperlichkeit auf. Der Wunsch nach Transformation und das Scheitern daran zeigen sich als „vitalistische Starre“, so die Künstlerin. In ihrer Malerei thematisiert sie den Konflikt zwischen Veränderung und der vorgeprägten eigenen Identität. Durch Rollenspiele und digitale Bildveränderung objektiviert sie geistige und körperliche Erfahrungen. Zu ihren Werken erläutert Tennigkeit: „Ich denke, dass die unkonventionelle, ja verstörende Verbindung von Bildmotiven und die Schaffung neuer Bedeutungsebenen meine Arbeit im Besonderen ausmachen. Mich interessiert, was passiert, wenn unterschiedlichste Bildelemente aufeinandertreffen – einschließlich der dahinterstehenden symbolischen Bedeutungen – und all dies in der Malerei zur Synthese gebracht wird.“ Caput Sanctum (Holy Head) gehört zur Serie Selbst als Allegorie (hier: Selbst als Märtyrerin), die sie seit 2010 fortführt. Dabei nimmt sie verschiedene Rollen an und „ambivalente Vorbilder“ ein. Bezugspunkt für das präsentierte Gemälde ist eine Märtyrerdarstellung auf einem mittelalterlichen vergoldeten Reliquienschrein, auf dem vermutlich der heilige Dionysius von Paris dargestellt ist. Mit dem Werk möchte sie unter anderem auf die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in der katholischen Kirche hinweisen.  

Text: Sarah Letzel