Charlie Stein
Thesmophoria (Reproduktion 1), 2024
Öl auf Leinwand
60 × 50 × 6 cm
Werkbeschreibung:
Das Gemälde zeigt eine schimmernde, monochrome Darstellung eines Körpers in Nahaufnahme. Der Fokus liegt auf dem mittleren Teil des Körpers – eine schwangere Figur in einem eng anliegenden, glänzenden Latexanzug. Das Material reflektiert das Licht stark und erzeugt eine fast fotografische Illusion aus Hell-Dunkel-Kontrasten.
Die glänzende Oberfläche des Latexanzugs betont die Rundungen des Bauchs und die weiblichen Körperformen. Der Oberkörper ist leicht angeschnitten, und der Kopf ist nicht sichtbar. Der rechte Arm der Figur ist angewinkelt, die Hand hält eine Spritze mit einer feinen Nadel. Die Hand ist ebenfalls in Latexhandschuhen gehüllt, was das klinische und fetischistische Moment der Darstellung verstärkt.
Die Farbpalette besteht ausschließlich aus Schwarz-, Grau- und Weißtönen, wodurch die glänzende Textur und die Reflexionen auf der Oberfläche noch stärker hervortreten. Der Hintergrund ist hell und kontrastiert mit der dunklen Figur, sodass die Körperform fast plastisch aus dem Bildraum hervorzutreten scheint.
Katalogtext:
Die 1986 in Waiblingen/Baden-Württemberg geborene Künstlerin studierte Malerei und Grafik bei Gerhard Merz an der Akademie der Bildenden Künste München und schloss ihr Studium 2017 als Meisterschülerin bei Christian Jankowski an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart ab. 2024 war sie Stipendiatin des ISCP in New York und unterrichtete zuletzt als Gastprofessorin für Malerei und Zeichnung an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Stein untersucht in ihrem Werk dominierende kulturelle Kommunikationsästhetiken der digitalisierten, visuell überstimulierten Welt. Ihre interdisziplinäre Praxis umfasst Zeichnung, Malerei, Skulptur und Text, mit Fokus auf soziale Strukturen und zeitgenössische Medien. Dabei entführen ihre surrealen Kompositionen in eine Welt, die zugleich vertraut und völlig fremd wirkt. Das ausgestellte Werk stammt aus Steins aktueller Serie Thesmophoria, benannt nach einem Mysterienkult im antiken Griechenland, bei dem ausschließlich Frauen Rituale zur Förderung der Fruchtbarkeit praktizierten. In verschiedenen Versionen zeigt die Künstlerin darin in schwarzen Latex gehüllte Figuren bei der Injektion rätselhafter Substanzen. Der hier gezeigte weibliche Torso mit Schwangerschaftsbauch assoziiert eine künstliche Befruchtung, ein Akt, der entsprechend dem antiken Zeremoniell ohne direkte Beteiligung des männlichen Geschlechts erfolgt. Bei der Reproduktionsmedizin markiert die In-Vitro-Fertilisation eine entscheidende Entwicklung für die Emanzipation von Frauen. Folgt man hingegen dem Narrativ einer Selbstverletzung, insinuiert der bevorstehende Einstich mit der übergroßen Nadel eine maximal schmerzliche Penetration. Das glänzende, sexuell aufgeladene Material Latex eröffnet einen Diskurs über Fetischisierung und Objektifizierung des weiblichen Körpers. Gleichsam betont Steins fotorealistische Qualität der Malerei die verführerische Stofflichkeit des Latexsuits. Er konturiert die sinnlichen Körperformen seiner anonymen Trägerin und kann im Kontext einer bewussten Selbstinjektion und -optimierung als eine Art Rüstung weiblicher Selbstbestimmung gelesen werden.
Text: Asja Wolf