Kerstin Dzewior

She Changed Her Mind, 2024

Öl auf Leinwand 41 × 30 cm

 

Werkbeschreibung:
Das Gemälde zeigt das Porträt einer Frau im klassischen, realistischen Malstil. Ihr Gesicht ist fein ausgearbeitet, mit weichen, natürlichen Gesichtszügen. Sie hat hochgestecktes Haar und trägt eine dunkle Jacke über einer hochgeschlossenen Bluse mit floralem Muster. Die Farbpalette ist überwiegend gedämpft, mit dunklen Grün-, Blau- und Brauntönen, die dem Bild eine zurückhaltende, fast nostalgische Anmutung verleihen.

Das Besondere an diesem Porträt ist eine auffällige rote Markierung, die über das Gesicht der Frau gelegt wurde. Diese Markierung besteht aus zwei breiten, horizontalen Streifen: Der eine verläuft über ihre Augen, der andere über ihren Mund. Die rote Farbe wirkt wie aufgemalt oder über das Bild gelegt, als wäre sie nachträglich hinzugefügt worden. Die Streifen erinnern an eine Art Zensur oder Maskierung, wodurch der Ausdruck der Frau teilweise verdeckt wird.

Das Porträt ist in einem ovalen Holzrahmen gefasst, was es klassisch und traditionell wirken lässt – fast wie ein altes Familienporträt oder eine Erinnerung aus vergangenen Zeiten. Der dunkle, unscheinbare Hintergrund verstärkt diesen Eindruck und lenkt den Fokus vollständig auf das Gesicht der Frau und die rote Markierung.

 

Katalogtext:
Kerstin Dzewior wurde 1975 in Berlin geboren. 2020 wandte sich die gelernte Augenoptikerin ganz der Kunst zu und ist seitdem als freischaffende Künstlerin tätig. Sie ist Mitgründerin von FOYOU, einer Künstler:innengemeinschaft, die jährlich große Gruppenausstellungen kuratiert und veranstaltet.

Die Quelle von Dzewiors künstlerischer Inspiration und zentrale Themen ihrer Werke sind Frauen und weibliche Identität. In ihren realistisch und präzise ausgeführten Gemälden fängt sie verschiedene Facetten von Weiblichkeit ein – von kindlicher Unschuld bis hin zu verführerisch-erotischer Ausstrahlung und anmutiger Erscheinung. Die Räume, in denen Dzewior ihre Figuren platziert, sind geprägt von rätselhafter Leere. Diese Atmosphäre verstärkt die Isolation der dargestellten Frauen. Sie sind sowohl von der Außenwelt abgetrennt als auch in sich selbst vertieft. Die Figuren wirken manchmal wie eingefroren in einem Moment der Erzählung, der sich nicht ohne Weiteres erschließt. Dzewior fordert die Betrachtenden heraus, die Bedeutung und Geschichte hinter ihren Bildern selbst zu entdecken. Die Figuren tragen häufig altertümliche Kostüme, wodurch sie überzeitliche Relevanz erhalten. Ihre Arbeiten, so die Künstlerin, entstehen völlig intuitiv. Die dargestellten Frauen sind Ausdruck von Dzewiors jeweiligen Themen, Gefühlen und Gedanken.

Die altmeisterliche Anmutung in She Changed Her Mind (Sie hat sich anders entschieden) wird nicht nur durch die Malweise und die dunkle, wie aus der Zeit gefallene Kleidung hervorgerufen, sondern zugleich durch das ovale Format. Etwas entrückt und ausdruckslos schaut die in klassischer Dreiviertelansicht dargestellte Frau aus dem Bildraum. Es ist nicht eindeutig, auf was sich die im Titel angedeutete Entscheidung bezieht, aber die zwei waagerechten roten Balken in ihrem Gesicht , die ihr Antlitz stark verfremden und im maximalen Gegensatz zu ihrer bürgerlich anmutenden Haltung stehen, scheinen eine Rolle zu spielen. Eine Metapher für emanzipierte, selbstständig denkende Frauen, die sich aus traditionellen Rollen befreien?

Text: Sarah Letzel