Simone Haack
Ohne Titel, 2023
Öl auf Leinwand
Werkbeschreibung:
Das Gemälde zeigt einen menschlichen Kopf von oben, wobei das Hauptmotiv lange, glatte Haare sind, die sich radial vom Scheitelpunkt ausbreiten. Der mittig platzierte Scheitel ist die einzige klare Begrenzung in der Komposition, während die Haare weich und fließend nach außen verlaufen.
Die Künstlerin arbeitet mit einer fein abgestuften Palette aus warmen Brauntönen, die den Haaren eine natürliche Anmutung verleihen. Lichtreflexe auf der Haarstruktur erzeugen einen fast seidigen Glanz, während die dynamischen, strahlenförmigen Pinselstriche Bewegung und Tiefe suggerieren.
Die Darstellung ist realistisch und zugleich surreal: Der Kopf selbst bleibt unsichtbar, nur das Haar dominiert die Bildfläche. Dies verstärkt den hypnotischen, fast entrückten Charakter des Werkes und lenkt den Blick vollständig auf die Textur und Bewegung der Haare.
Katalogtext:
Die Künstlerin wurde 1978 in Rotenburg (Wümme) bei Bremen geboren. Von 1997 bis 2003 studierte sie an der Hochschule für Künste Bremen unter anderem bei Katharina Grosse und schloss ebenda 2004 als Meisterschülerin von Karin Kneffel ab. 1999 und 2001 nahm sie an der Sommerakademie in Salzburg teil und begegnete dort Xenia Hausner sowie Ilya und Emilia Kabakov. Dazwischen absolvierte sie ein Auslandssemester an der Unitec School of Art and Design in Auckland/Neuseeland. 2004/05 erhielt sie das Postgraduiertenstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und arbeitete ein Jahr lang im Atelier von Pat Andrea an der École nationale supérieure des beaux-arts in Paris. 2006 wurde sie mit dem Willi-Oltmanns-Preis für Malerei ausgezeichnet. Haack erhielt zahlreiche Residenzstipendien: 2005/06 für die Künstlerstätte Stuhr-Heiligenrode, 2009 für Namibia, 2010 für Formine am Lago Maggiore/Italien sowie im selben Jahr für die Otto-Dix-Stadt Gera. Ihre Werke wurden unter anderem vom Kunstmuseum Stuttgart, der Kunsthalle Rostock und für die Kunstsammlung des Deutschen Bundestags angekauft. Simone Haacks Werke bewegen sich im Spannungsfeld zwischen realistischer Malerei und surrealistischen Bildwelten, in denen Traum, Erinnerung und Imagination miteinander verschmelzen. Ein wiederkehrendes Thema sind weibliche Figuren mit besonderer Beachtung von glänzenden langen Haaren, deren psychologische Ambivalenz an Meret Oppenheims Objekt Frühstück im Pelz (1936) erinnert. Mittlerweile hat sich das Haarmotiv im Werk von Simone Haack geradezu verselbstständigt. Haare sind bei ihr nicht mehr nur an menschlichen Körpern zu finden, sondern erscheinen unter anderem als großflächige, semiabstrakte Kompositionen oder in Landschaften als absurder Pflanzenbewuchs. Was auf der hier ausgestellten Arbeit zu sehen ist, bleibt am Ende den Betrachtenden selbst überlassen.
Text: Marc Wellmann