Sonja Alhäuser
Kentaurin, 2025
Ziehmargarine in beleuchteter Kühlvitrine
52 × 49 × 169 cm
Werkbeschreibung:
Die Skulptur zeigt einen weiblichen Kentaur – eine mythische Figur mit dem Oberkörper einer Frau und dem Unterkörper eines Pferdes. Sie besteht vollständig aus Margarine und befindet sich in einer hohen, gläsernen Kühlvitrine, um gekühlt zu bleiben und nicht zu schmelzen. Die Vitrine hat einen weißen Metallrahmen, eine Temperaturanzeige an der Oberseite und ein Kühlaggregat im unteren Bereich, das über ein Kabel mit einer Steckdose verbunden ist.
Die Kentaurin hat eine kräftige, voluminöse Körperform. Ihr menschlicher Oberkörper ist leicht nach hinten gelehnt, die Arme angewinkelt, als ob sie sich gegen etwas wehren oder mit einer unsichtbaren Kraft ringen würde. Ihr Gesicht ist weich modelliert, mit einer vagen, fast entrückten Mimik. Ihr Haar oder eine organisch wirkende Masse scheint sich von ihrem Kopf aus nach hinten auszubreiten – es sieht aus, als würde es wachsen, zerfließen oder in Bewegung sein.
Der Unterkörper ist der eines Pferdes, kräftig und massig, mit starken Beinen und Hufen. Doch das Material der Skulptur – die Margarine – verleiht ihr eine paradoxe Fragilität. Während der Körper in seiner Form monumental wirkt, hat das Material eine schmelzende, brüchige Qualität. In einigen Bereichen scheint es weich zu werden oder sich aufzulösen, als ob die Figur in einem ständigen Wandel zwischen Stabilität und Vergänglichkeit steckt.
Katalogtext:
Sonja Alhäuser wurde 1969 in Kirchen/Westerwald geboren. Sie studierte von 1991 bis 1997 an der Kunstakademie Düsseldorf, wo sie Meisterschülerin von Fritz Schwegler war. Die Künstlerin erhielt mehrere Auszeichnungen und Stipendien, unter anderem 1997 das Peter Mertes Stipendium, 1998 das Arbeitsstipendium der NRW-Stiftung, 1999 das Stipendium des Kunstfonds Bonn, 2000 den Förderpreis der Stadt Düsseldorf und den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. 2006 wurde sie vom Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems gefördert. 2007 erhielt sie das Dorothea-Erxleben-Stipendium. 2014 gewann sie den boesner art award und war 2018/19 als Trägerin des Rompreises Stipendiatin der Villa Massimo in Rom.
Alhäusers Arbeiten handeln in sinnlicher Form vom Werden und Vergehen, vom Kochen, Essen, Verdauen, Ausscheiden sowie der körperlichen Liebe. Immer wieder kehrt die Künstlerin mit ihren detailreichen Rezeptzeichnungen und mit ihren Skulpturen und Installationen aus ephemeren Materialien wie Butter, Schokolade oder Marzipan zur Welt des Kulinarischen zurück. Mit dem Essen verknüpfen sich existenzielle Fragen: Es geht um Sinneslust und kollektive Festlichkeit genauso wie um körperbezogene Metabolismen, es geht um Leben, Überleben und Tod.
Ein weiblicher Kentaur, ein mythologisches Mischwesen aus Mensch und Pferd, ist das Thema von Alhäusers Skulptur, die sie eigens für diese Ausstellung produziert hat. Etwas eingezwängt hockt die Figur zwischen transparenten Kühlschrankwänden, die kaum Platz lassen zum Atmen. Und doch sichert dieser kleine kühle Raum gleichsam das Leben der Skulptur, die bei Wärme dahinschmelzen würde. Die Künstlerin hat eine große Affinität zu Pferden, besitz selbst welche und kann gut reiten. In der Kentaurin bündeln sich für sie tierische und menschliche Kräfte. Traditionell markiert das Motiv des Kentauren den Gegensatz zu einem Reiterstandbild, das einst die Führungsqualität eines Herrschers hervorhob, wobei das gerittene Pferd stets das regierte Volk repräsentierte.
Text: Marc Wellmann