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kuratiert von Alexandra von Stosch und Marc Wellmann
Wie werden Künstlerlegenden gemacht? Die Besucher der Ausstellung können dies selbst erfahren, denn inmitten großformatiger Kulissengemälde werden sie Teil der Inszenierung. Vor diesen Kulissen, die von Jankowski 2013 für das von Angela Richter am Schauspiel Köln inszenierte Stück „Kippenberger! – Ein Exzess des Moments” entworfen wurden, hat Christian Jankowski ein neues Filmprojekt produziert, das acht Stationen im Leben von Martin Kippenberger nachspielt. Jankowski hat den Stoff gemeinsam mit einem Team aus Drehbuchautoren und TV-Formatentwicklern aus Singapur gestaltet. Ihn faszinieren die Unschärfen geschichtlicher Rekonstruktion im Reenactment-Format zeitgenössischer History-Sendungen, hier noch reflektiert durch die Perspektive eines anderen Kulturkreises.
Einen medialen Zirkelschluss anderer Art vollzieht Jankowski in der Arbeit „Chinese Whispers – Neue Malerei (Van Gogh I-X)“ von 2015, bei der der Künstler im Internet gefundene Tableau-Vivant-Selfies von Van Gogh-Selbstporträts von chinesischen Kopisten im Original-Van Gogh-Format auf Leinwand übertragen ließ. Die Auseinandersetzung des Künstlergenies mit sich selbst erlebt eine mediale „Flüsterpost“. Losgelöst vom Original zeigen die zehn Arbeiten deutlich, wie sich in der medialen Welt Rollen und Verantwortungen verkehren: Ruhm und Genie sind global verhandelbare Leihware.
Hier knüpft Jankowski mit einem Video-„Werbe“-Clip in eigener Sache an: In der Aneignung einer Videoarbeit von Chris Burden (1976) fügt Jankowski der Aufzählung einer Reihe der bedeutendsten Künstlergenies von da Vinci bis Picasso in selbstironischer Brechung nicht nur seinen eigenen Namen hinzu, sondern auch noch den lakonischen Kommentar: „Und später mal ein anderer Schlucker“. Der Werbeclip wird während der Laufzeit der Ausstellung in Berliner Programmkinos geschaltet.
Der Bezug zur im Titel genannten „Baustelle“ erfüllt sich konzeptionell in der „Großen Geste“ an der Außenfassade des HaL. Die farbigen Schriftzüge aus Aluminium wurden von Jankowski im Kontext des Kunst-am-Bau-Wettbewerbs des – immer noch im Bau befindlichen – BER-Flughafens entwickelt. Sie beziehen sich auf Slogans aus einem umfangreichen Dossier einer vom Bauherrn beauftragten Agentur, in dem die Funktion der erwünschten Kunst unmissverständlich beschrieben war: „Ein wichtiger visueller und emotionaler Bezugspunkt“ wurde gesucht, „Die Kunst soll an dieser Stelle ein Zeichen setzen“. Jankowski zeigt die Beliebigkeit der Anforderungen für das Ortsspezifische der Installation und das Spielen mit Emotionen des „Transits“. Es wird zum Meta-Kunst-am-Bauprojekt, wenn er diese Arbeit für variable Orte und nicht nur für den neuen Flughafen verfügbar macht. Im HaL wird der Kunststandort Berlin zur Artweek thematisiert.
Diese Arbeiten verweisen auf die Zusammenhänge von geschichtlicher Konstruktion und der gesellschaftspolitischen Aneignung von Kunst: Die Legende des Künstlers und der öffentliche Raum erweisen sich als gesellschaftlicher Schauplatz von Projektionen, als „Baustelle“.
Veranstaltungen
13.10.2016 | 19 Uhr: Künstlergespräch mit Christian Jankowski
03.11.2016 | 19 Uhr: Kuratorenführung
Edition
Anlässlich der Ausstellung hat Christian Jankowski eine Siebdruck-Edition im Format DIN A1 aufgelegt, die über das Haus am Lützowplatz erworben werden kann. Drei Blätter in einer Kartonmappe, Auflage 20 (+ 5 AP + 5 EP), nummeriert und signiert: 900 €.
Weitere Informationen:
http://www.hal-berlin.de/service/editionen/
Die Ausstellung wird realisiert mit Mitteln des Hauptstadtkulturfonds
Mit freundlicher Unterstützung der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH
Pressestimmen (Auswahl):
Tagesspiegel: Spielerisch kluge Ausstellung … Am Beispiel von Kippenberger hält er der Gesellschaft erneut den Spiegel vor … unterhaltsam wie klug gemacht … Was für Jankowski übrig bleibt? Ein Stück vom Ruhm der anderen, ein Bauteil für die eigene Legende – als Künstler, der die Techniken durchschaut und gewitzt vorführt. (Nicola Kuhn)
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zitty Berlin: Auf den ersten Blick scheint seine Berliner Schau eine humorvolle Dekonstruktion des Mythos’ vom männlichen Künstler zu sei, am Beispiel eines Malers, dessen Leben und Werk Legende sind, und der in Berlin, wo er lange wohnte, erst 2013 posthum eine Retrospektive in einem der Häuser der Nationalgalerie erhielt: am Beispiel Martin Kippenbergers, der 1997 in Wien starb … Doch auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die „Baustellen“-Schau nichts weniger ist, als eine Veranschaulichung der These, die Jankowski mit der Manifesta 11 in Zürich sehr sorgfältig erörtert hat. Sie bringt den allmählichen und diffizilen Veränderungen im Bild vom Künstler einmal auf einen Punkt. (Claudia Wahjudi)
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Berliner Morgenpost: Im Zentrum der Schau steht ein Filmprojekt im Biopic-Format – in einer Art Guido-Knopps-„History“-Format. Gedreht wurden die Kippenberger -Szenen in eben den ausgestellten Bühnenbildern. Dabei sind Schauspieler der Kölner Inszenierung und Jankowski selbst, der ehemalige Paris Bar-Besitzer Michel Würthle und Großsammlerin Julia Stoschek in Schwarzwälder Tracht. 30 Minuten ist der Film lang und unbedingt sehenswert in seinem anarchischen, skurrilen Zugriff auf die Wirklichkeit. Doch wie war Kippenberger denn nun wirklich? Wir wandern noch einmal durch die großen Kulissen – und wissen nur: Das Leben besteht aus vielen verschiedenen Bildern. Das ewige Rollenspiel geht weiter. Martin Kippenberger jedenfalls hätte das Jankowski-Universum gefallen. (Gabriela Walde)
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taz. die tageszeitung: Jankowski wäre aber nicht Jankowski, wenn er sich dafür nicht einen besonderen Dreh überlegt hätte. In der Schau arbeitet er sich an der Legende seines Künstlerkollegen Martin Kippenberger ab, an raumhohen, gemalten Kulissen vorbei zieht man wie durch Stationen von dessen Leben. Zum Einsatz kamen diese im Hauptwerk der Ausstellung, einem Biopic über Kippenberger, das als Trashversion eines Guido-Knopp-Formats durchgeht … „Build your own legend“, empfiehlt der Moderator am Schluss. Nur zu! (Beate Scheder)
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tip Berlin: Christian Jankowski wagt sich an ein heikles Thema. „Die Legende des Künstlers und andere Baustellen“ zerlegt den Mythos vom männlichen Künstler – am Beispiel eines Malers, der vielen in Berlin als unantastbar gilt: Martin Kippenberger. Die selbst gewählte Aufgabe bewältigt Jankowski mit Charme. (Claudia Wahjudi)
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Berliner Zeitung: „Witzig, drastisch, berührend.“ (Irmgard Berner)
Printausgabe vom 5. Oktober 2016
Stylepark: „Christian Jankowski has always been interested in how you become an artist and secure your fame. And he has repeatedly succeeded in exposing in a parody the institutional mechanisms of power and simultaneously in fulfilling the expectations made of him as a globally operating artist.“ (Annette Tietenberg)
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World of Arts Magazine: „The show invites to discussions on an artist’s legendary status that might accompany his work, or even replace/overshadow it. What tactics are fine, and what are not? “ (Christian Hain)
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NRC Handelsblad (Niederlande): Met de tentoonstelling in Berlijn over Martin Kippenberger bouwt Christian Jankowski voort aan de legende van de kunstenaar. (Juurd Eijsvoogel)
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Christian Jankowski
Die Legende des Künstlers und andere Baustellen [The Legend of the Artist and other Sites of Construction]
September 15 to November 20, 2016
Opening: Wednesday, September 14, 2016, 19:00
Curated by Alexandra von Stosch and Marc Wellmann
How are artist legends made? Visitors of the exhibition can learn this for themselves, and become part of the production in the midst of large-format scenery paintings. Against this backdrop, created by Jankowski for the theatrical piece “Kippenberger! – Ein Exzess des Moments”, produced in 2013 by Angela Richter at the Schauspiel Köln theater, Christian Jankowski has produced a new film project that re-enacts eight stations in the life of Martin Kippenberger. Jankowski developed the plot and the script together with a team of scriptwriters and TV developers from Singapore. He is fascinated by the blurring of historical reconstruction in the re-enactment format of contemporary historical television features, further reflected in this case by the perspective of another cultural milieu.
Jankowski completes a medial circular argument of another kind in his work “Chinese Whispers – Neue Malerei (Van Gogh I–X)” (2015), in which the artist had Tableau Vivant selfies of Van Gogh self-portraits that he found on the Internet transferred to canvas in their original Van Gogh format by Chinese copists. The involvement of the artist genius with itself is subjected to a media game of Chinese Whispers. Detached from the original, the ten works clearly show how roles and responsibilities are inverted in the media world: Fame and genius become globally negotiated loans.
Jankowski connects to that in a “TV commercial” for himself: in an appropriation of a video work by Chris Burden (1976), Jankowski lists a number of the most significant artist geniuses, from da Vinci to Picasso, only to self-mockingly add his own name, plus a laconic comment: “Und später mal ein anderer Schlucker” [to be continued by some other poor devil]. The “TV commercial” will be broadcasted in Berlin cinemas during the period of the exhibition.
The reference to the construction site [“Baustelle”] referred to in the title is met conceptually with the “Großen Geste” [grand gesture] on the HaL building front. The colored aluminum lettering was developed by Jankowski in the context of the art-in-architecture competition for the – as yet unfinished – BER airport. It refers to slogans taken from an extensive dossier compiled by an agency contracted by the building principal, plainly delineating the art’s desired function: Requested was “an important visual and emotional point of reference” and “the art should make a point, here”. Jankowski shows the arbitrariness of the requirements for the site-specific installation and the enactment of emotions of “transit”. It turns into a meta art-in-architecture project, once he applies this work to variable locations and not only to the new airport. At HaL, Berlin as a site for art is addressed during Art Week.
These works reference the connections between historical construction and the socio-political appropriation of art: the legend of the artist and the public space present themselves as a social setting for projections, as a “construction site” (Baustelle).
Programm
13.10.2016 | 7 pm: Artist talk with Christian Jankowski
03.11.2016 | 7 pm: Guided tour with the curators
Edition
On the occasion of this exhibition, Christian Jankowski has designed a silkscreen print in the format DIN A1 which can be purchased at Haus am Lützowplatz. Set of three prints in a cardboard folder, edition of 20 (+ 5 AP + 5 EP), numbered and signed: 900 €. Price is only valid during the time of the exhibition.
More information:
http://www.hal-berlin.de/en/service-2/editions/
With the kind support of the Capital Cultural Fund
and Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH
Programm zur Ausstellung
14. September 201619.00 Uhr
Christian Jankowski - Die Legende des Künstlers und andere Baustellen
Ausstellungseröffnung 13. Oktober 2016
19.00 Uhr
Künstlergespräch
mit Christian Jankowski 03. November 2016
19.00 Uhr
Kuratorenführung
im Rahmen der Ausstellung „Die Legende des Künstlers und andere Baustellen“