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Eröffnung: Donnerstag, 23. April 2015, 19 Uhr
Kuratiert von Marc Wellmann
Mit Werken von:
Johannes Albers
Thomas Behling
Olivia Berckemeyer
John von Bergen
Marc Bijl
Norbert Bisky
Emmanuel Bornstein
Thorsten Brinkmann
Jeanno Gaussi
Axel Geis
Philip Grözinger
Ursus Haussmann
Uwe Henneken
Jenny Löbert
Jonathan Meese
Deimantas Narkevičius
Gerhard Richter
Römer + Römer
Das Haus am Lützowplatz befasst sich in Form einer Ausstellung zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler mit Adolph Freiherr von Lützow, nach dem der Platz im Bezirksteil Tiergarten benannt wurde. Den Anlass bietet das Datum des 200. Jahrestages der Schlacht von Waterloo (18. Juni 1815) als finales Ende der Napoleonischen Kriege.
Die Ausstellung im Haus am Lützowplatz verfolgt keine rein geschichtliche Aufarbeitung des Themas. Im Bewusstsein der Stärke und auch aktuellen Brisanz des historischen Narrativs setzt sie auf die Autonomie der zeitgenössischen Werke im Hinblick auf einen dadurch geöffneten Resonanzraum zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es geht bei den Arbeiten, die zum Teil speziell für die Ausstellung geschaffen wurden, nicht um die Illustration von Geschichte, sondern um die Markierung von Brüchen und Verwerfungen beim Prozess des Erinnerns der Ereignisse vor zweihundert Jahren und deren Spuren im heutigen kollektiven Bewusstsein.
Ludwig Adolph Wilhelm Freiherr von Lützow (18. Mai 1782 – 6. Dezember 1834) wurde im Februar 1813 Befehlshaber einer Freiwilligeneinheit, die zusammen mit anderen sogenannten „Jäger-Detachements“ zur personellen Aufstockung des preußischen Heeres für den Krieg gegen Frankreich gebildet wurde. Ihre Mitglieder wurden nicht unter Zwang im Rahmen einer staatlich verordneten Mobilmachung eingezogen, sondern setzten im Verständnis eines patriotisch gestimmten Freiheitskampfes ihr Leben aufs Spiel. Das Lützowsche Freikorps bestand zu großen Teilen aus „nichtpreußischen Ausländern“. Sie kamen aus Ländern wie Mecklenburg, Sachsen, Thüringen, Bayern oder Tirol, die mit Napoleon verbündet oder von ihm besetzt waren. Ihre mitgebrachte Kleidung wurde einheitlich schwarz gefärbt, woraus sich insbesondere für die Kavallerie der Lützower der Beiname „Schwarze Jäger“ ableitete. Überliefert ist auch von französischer Seite die Bezeichnung „brigands noirs“, also schwarze Freischärler oder Banditen, da sie von ihren Gegnern mitunter nicht als reguläre Truppen angesehen wurden. Tatsächlich war das „Königlich Preußische Freikorps“ per Kabinettsordre als offizieller Heeresteil gegründet worden. Derartige kleine und bewegliche Verbände operierten im sogenannten Kleinen Krieg häufig hinter den Frontlinien, auch mit dem Ziel, einen Volksaufstand in den besetzten Gebieten zu entfesseln.
Das Lützowsche Freikorps war letztlich militärisch nicht sonderlich erfolgreich, erlangte jedoch im Zuge der National- und Freiheitsbewegung des Vormärz legendären Status. In ihm kämpfte ein besonders hoher Anteil von Künstlern und Intellektuellen. Neben Friedrich Ludwig Jahn und Karl Friedrich Friesen, den Begründern der paramilitärisch ausgerichteten Turnbewegung in Berlin, zählten dazu der Pädagoge Friedrich Fröbel, der Theologe Heinrich Herrmann Riemann, die Maler Philipp Veit, Friedrich Olivier und Georg Friedrich Kersting sowie die Dichter Joseph von Eichendorff und Theodor Körner.
Körner, der zeitweise Lützows persönlicher Adjutant war, verfasste eine Reihe von Gedichten und Liedern, die über die Befreiungskriege hinaus Verbreitung fanden. Dazu zählte auch das im Frühjahr 1813 verfasste Lied „Lützows wilde, verwegene Jagd“, das bald nach Körners Tod (26.8.1813) von Karl Maria von Weber vertont wurde und noch in der DDR Bestandteil des Großen Zapfenstreichs war. Überhaupt pflegte die DDR ein besonderes Verhältnis zu den Lützowern, in denen man proto-revolutionäre Freiheitskämpfer sah, nicht zuletzt auch durch die „Waffenbrüderschaft“ mit russischen Kosakeneinheiten im Herbstfeldzug 1813 als Vorbild für die eigene Beziehung zur Sowjetunion. Der Stoff wurde bislang zwei Mal verfilmt: 1926/27 in einer Produktion von Richard Oswald und 1972 von der DEFA mit Karlheinz Liefers als von Lützow.
Bekannt wurden die Lützower auch durch die mit ihnen verbundene Geschichte der Rixdorferin Eleonore Prochaska, die sich der Einheit in Verkleidung des Schützen August Renz anschloss und im September 1813 bei einem Gefecht nahe Gadebusch tödlich verwundet wurde. In Folge ihrer unmittelbaren Glorifizierzung als „deutsche Jeanne d’Arc“ meldete sich im Februar 1814 die Bremerin Anna Lühring unter dem Namen Eduard Kruse freiwillig zum Dienst bei den Lützowern. Ihre wahre Identität wurde später aufgedeckt, doch blieb sie bis zur Rückkehr des Freikorps nach Berlin dessen Mitglied.
Am Ende der Befreiungskriege, also nach dem Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht von Leipzig (19. 10.1813) und der Eroberung von Paris im Mai 1814, wurde das Freikorps aufgelöst. Die Berufssoldaten der Lützower wurden in ordentliche Regimenter der preußischen Armee integriert. Von Lützow befehligte während des letzten Koalitionskrieges gegen Napoleon eine Kavallerie-Brigade und wurde bei Ligny am 16. Juni 1815 schwer verletzt. Teile seines ursprünglichen Freikorps kämpften am übernächsten Tag in der Schlacht von Waterloo und erbeuteten Napoleons persönlichen Wagen mit Hut, Degen und sämtlichen Orden.
Mehrere Lützower engagierten sich nach 1815 in der Burschenschaftsbewegung und trugen ihre schwarzen Uniformen als Zeichen für Bestrebungen, die demokratischen Freiheitsideale der französischen Revolution mit Gedanken eines einheitlichen Nationalstaates zu verbinden. Die in Jena gegründete Urburschenschaft – vorher waren die Studentenverbindungen in Landsmannschaften getrennt – erhielt 1816 eine Fahne, deren Farben einen Bezug zur Uniform des Lützowschen Freikorps aufwies (schwarzer Rock, rote Aufschläge, goldene Knöpfe) und von der sich aus, gemäß einer unter Historikern nicht unumstrittenen Indizienkette, die dann erstmals 1848 bei der Frankfurter Nationalversammlung offiziell verwendeten Farben schwarz-rot-gold als Symbol eines einheitlichen, parlamentarischen Deutschlands ableiteten.
Der Lützowplatz wurde am 23. November 1869 nach dem Freiherrn von Lützow benannt, der in der Nähe seine letzten Lebensjahre verbracht hatte und zwar im Haus Tiergartenstraße 11, Ecke Bendlerstraße 43 (heutige Stauffenbergstraße). Topgraphisch verbunden ist der Lützowplatz mit dem sogenannten „Generalszug“: Tauentzienstraße, Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Bülowstraße, Yorckstraße, Gneisenaustraße. Er führt auf das von Schinkel entworfene Denkmal auf dem Kreuzberg, das 1818-21 in Erinnerung an die Befreiungskriege errichtet wurde (und nach dem der frühere Tempelhofer Berg umbenannt wurde). Die Benennungen einer ganzen Reihe von Straßen in damals neu entwickelten Stadtgebieten von Schöneberg, Tiergarten und Kreuzberg nach Schlachten und Militärführern der Befreiungskriege wurden anlässlich ihres fünfzigjährigen Gedenkens am 9. Juli 1864 beschlossen.
Die Ausstellung wird begleitet von einer Publikation:
Black Bandits
Herausgegeben von Marc Wellmann
96 Seiten / 16,5 x 24 cm / farbig
Preis in der Ausstellung: 15,00 €
ISBN: 978 3 8030 3372 7
Banner-Bild: Uwe Henneken, “Marie Malaise”, 2007, Eisen, Stahl, Aluminium und Holz, lackiert, 110 x 250 x 180 cm
Pressestimmen:
Berliner Morgenpost: „Gelungen […] verbindet auf spielerische Weise Geschichte und ihre Konstruktion.“ (Angela Hohmann, 6. Mai 2015)
http://www.morgenpost.de/kultur/article140578761/Eine-Ausstellung-rund-um-den-preussischen-Guerillakaempfer.html
Berliner Zeitung: „Wellmann kuratierte mit offensichtlich inspirierten Künstlern keine politisch-moralische (Anti-)Kriegs-Schau. Eher wollter er einen Resonanzraum zwischen damals und der heutigen globalisierten Welt öffnen – für den Prozess des Erinnerns, Reflektierens, samt der Markierung von Brüchen im Bewusstsein, weitab von nationaler Verklärung.“ (Ingeborg Ruthe, 5.6.2015)
Tagesspiegel: „Die Ausstellung Black Bandits nähert sich dem Thema mit knapp zwanzig Werken von Gegenwartskünstlern: Mal ist es knallige Pop-Art, mal sind es düstere Gemälde, dazwischen Videoinstallationen … Wer war Lützow?, wollte Kurator Wellmann zu Beginn seiner Recherchen wissen. Dank ausführlicher historischer Erläuterungen erfährt der Besucher von Black Bandits viel über die Hintergründe der Angehörigen des Korps.“ (Martin Niewendick, 1. Juni 2015)
http://www.tagesspiegel.de/kultur/ausstellung-black-bandits-am-luetzowplatz-hakenkreuz-in-zartrosa/11849420.html
und
http://www.pnn.de/kultur/972534/
taz: „Eine interessante Raumanordnung durch ungewöhnliche Sichtachsen und die Arbeiten namhafter KünstlerInnen wie Jonathan Meese, Gerhard Richter oder Norbert Bisky runden die Ausstellung ab“ (Anne-Sophie Balzer, 31. Mai 2015)
http://www.taz.de/1/berlin/tazplan-kultur/
Der Freitag: „200 Jahre „Lützower“ ist zwar der Anlass, doch bei Weitem nicht der eigentliche Inhalt dieser so bemerkenswerten Schau im HaL.“ (Andre Sokolowski)
https://www.freitag.de/autoren/andre-sokolowski/black-bandits-im-haus-am-luetzowplatz
tip Berlin: „BLACK BANDITS schlägt eine Brücke zwischen den Jahrhunderten und den Disziplinen […], ohne dabei geschichtliche Ereignisse zu illustrieren.“ (Andrea Hilgenstock, Heft 09/2015)
http://www.tip-berlin.de/kultur-und-freizeit-kunst-und-museen/black-bandits-im-haus-am-lutzowplatz
Neues Deutschland: „Vor allem aber schafft Wellmann einen interessanten Guck- und Vergegenwärtigungsapparat mit faszinierenden Sichtachsen und assoziativen Bezügen. […] Eine vielschichtige Ausstellung zu einem gar nicht verstaubten Thema, die zudem der Heroisierungsfalle schlau entgeht.“ (Tom Mustroph, 27. Mai 2015)
art: „Bilsang galten Preußenfimmel und zeitgenössiche Kunst in Berlin als entgegengesetzte Pole. Mit Black Bandits und knapp 20 Werken der Gegenwartskunst tritt Wellmann nun den Gegenbeweis an. Die These: Wer nach Preußen sucht, der muss nur am Lack des neuen Berlin kratzen.“ (Kito Nedo, 06/2015)
http://www.art-magazin.de/kunst/82390/black_bandits_berlin
BZ Am Sonntag: “Nationale Verklärung oder simple Rückschau ist dabei kein Thema, im Gegenteil, es soll um die Brüche und Verschiebungen im historischen Bewusstsein gehen.” (Sebastian Bauer, 24. Mai 2015)
Private View: Thursday, 23th of April 2015, 7 p.m.
Curated by Marc Wellmann
With works by:
Johannes Albers
Thomas Behling
Olivia Berckemeyer
John von Bergen
Marc Bijl
Norbert Bisky
Emmanuel Bornstein
Thorsten Brinkmann
Jeanno Gaussi
Axel Geis
Philip Grözinger
Ursus Haussmann
Uwe Henneken
Jenny Löbert
Jonathan Meese
Deimantas Narkevičius
Gerhard Richter
Römer + Römer
The ‘Black Bandits’ exhibition celebrates Adolph Freiherr von Lützow and the 200th anniversary of the Battle of Waterloo (June 18, 1815) as the end of the Napoleonic Wars. The exhibition in the Lützowplatz does not pursue purely historical review of the topic. Being aware of the strength and explosiveness of the current historical narrative, it relies on the autonomy of contemporary art in terms of a resonance thereby open space between past and present. It’s in the works, which have been partially established especially for the exhibition, not the illustration of history, but the mark of fractures and dislocations in the process of remembering the events of two hundred years ago, and their traces in today’s collective consciousness.
Ludwig Adolph Wilhelm Freiherr von Lützow (May 18, 1782 – December 6, 1834) was commander of a volunteer unit that was formed along with other so-called ‘Hunter Detachments’ for increased staffing of the Prussian army for the war against France in February 1813. The Lützow Free Corps consisted largely of “non-Prussian foreigners”. Their clothes were brought uniformly colored black, resulting in particular for the cavalry of the Lützower the nickname “Black Hunter” was derived. Narrated is also on the French side, the term “brigands noirs”, i.e, black guerrillas or bandits, as their opponents as regular troops did sometimes not consider them.
The Lützow Free Corps was ultimately not very successful militarily, but gained in the course of the national liberation movement and the pre-March legendary status. In it fought a particularly high proportion of artists and intellectuals. At the end of the German Campaigne, after the victory over Napoleon at the Battle of Leipzig (19 10.1813) and the conquest of Paris in May 1814, the Free Corps was disbanded. The professional soldiers of the Lützowers were integrated into regular regiments of the Prussian army. Lützow himself commanded a cavalry brigade during the last coalition war against Napoleon and was seriously wounded at Ligny on June 16, 1815. Parts of its original Freikorps fought two days later at the Battle of Waterloo and captured Napoleon’s personal car with his hat, sword, and all orders.
Several Lützower engaged after 1815 in the fraternity movement and wore their black uniforms as a sign of aspirations to join the democratic ideals of freedom of the French Revolution with thoughts of a unified German nation-state. The first student fraternity founded in Jena – before the students compounds were separated in country teams – received in 1816 a flag whose colors relate to the uniform of the Lützow Free Corps had (black skirt, red cuffs, gold buttons) and from the off, according to a among historians not undisputed evidence chain, then the first black-red-gold colors 1848 officially used in the Frankfurt National Assembly as a symbol of a unified, parliamentary Germany.
The Lützowplatz was named after Baron von Lützow on 23 November 1869. The House on Lützowplatz (‘Haus am Lützowplatz’) is an exhibition and event space supported by the Art Association founded in 1960 “House on Lützowplatz – Cultural Patronage Berlin”.
Cover Image: Uwe Henneken, “Marie Malaise”, 2007, Eisen, Stahl, Aluminium und Holz, lackiert, 110 x 250 x 180 cm