Das Haus am Lützowplatz freut sich, der Berliner Öffentlichkeit mit dem Werk von Almut Linde eine der spannendsten Positionen der aktuellen Kunst vorstellen zu können.
Unter den zeitgenössischen Künstlern lassen sich kaum Beispiele finden, die sich der Erforschung des politischen Systems und deren Machtaufbau auf ähnlich radikale Weise verschrieben haben und in deren Werk Kunst und Politik untrennbar miteinander verknüpft sind. Almut Linde ist eine der KünstlerInnen, die den aktuellen Diskurs um die Repolitisierung der Kunst autoritativ beeinflusst.
„Mein Atelier ist die Welt“ sagt Almut Linde. Statt mit Pinsel und Leinwand arbeitet sie mit Menschen und sozialen Systemen. Die Künstlerin begibt sich dabei in Bereiche, in denen man künstlerisches Potential kaum vermuten würde. Der Schwerpunkt der im Haus am Lützowplatz gezeigten Ausstellung liegt auf einer Werkgruppe, welche die Künstlerin in Jahren 2005 – 2008 mit der Bundeswehr erarbeitet hat. Die Künstlerin ist dabei in Bereiche vorgedrungen, welche der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
Das bloße Dokumentieren des Gesehenen ist dabei nicht Lindes Ziel. Sie versucht vielmehr mit gezielten Aktionen die unbewussten Strukturen des jeweiligen sozialen Systems offen zu legen und die Differenzen zwischen individueller Autonomie und struktureller Bedingtheit sichtbar zu machen.
So führten Lindes Aktionen dazu, dass Militärpersonal befohlen wurde, einen 65-minütigen Vortrag der Künstlerin über Objektkunst und ihre Anwendung im Militärkontext in der Kaserne zu besuchen. Im Anschluss versuchten die Soldaten das Vorgetragene in die Praxis umzusetzen und arrangierten eigene Object Art Statements, die die Künstlerin fotografierte. Gemäß Lindes Ansatz manifestieren sich in diesen die individuellen Abweichungen vom funktionalen Diskurs des soziales Systems.
So ist beispielsweise in der 2005 entstandenen Farbfotografie Dirty Minimal Aktion #33.1 – Individual Object Art Statements Militär ein Soldat mit Gasmaske zu sehen, der sich eine brennende Zigarette vor diese hält.
In der 2008 entstandenen großformatigen Farbfotografie Dirty Minimal Aktion #52.2- Landschaft ist ein Soldat als Rückfigur zu sehen, der versunken in die Landschaft blickt. Linde hatte ihn während einer Feuerpause bei Schiessübungen in einer nicht identifizierten Militäreinheit gebeten, diese Haltung einzunehmen. Die Perzeption des Betrachters oszilliert zwischen bedrohlichen Gefühlen, die durch die eindeutige Identifizierung des Mannes als Soldat hervorgerufen werden, und Assoziationen an die Gemälde von Caspar David Friedrich und das damit verbundene Einsinken in die Schönheit der unberührten Natur.
Almut Linde ist so tief in die wissenschaftliche Diskussion über den Zusammenhang von gesellschaftlichen Phänomenen und deren Darstellbarkeit im Rahmen der Kunst eingedrungen, dass sie den traditionellen Kunstbegriff als solchen einer kritischen Reflexion unterzieht. Ausgehend von der These, dass der aktuelle Kunstbegriff zu wenig Realitätsbezug hat, entwickelte sie den Begriff des DIRTY MINIMAL, den sie an ihren eigenen Arbeiten belegt und über den sie an der Universität Lüneburg eine Dissertation verfasst.
Lindes Arbeiten beschäftigen sich mit den Grundprinzipien der menschlichen Existenz. Sie setzen dort an, wo das rationale Denken aufhört und gehen den Ursprüngen der Macht im Individuum und dem damit verbunden Implikationen persönlicher Freiheit nach.
Almut Linde, 1965 in Lübeck geboren, verließ die Hochschule für Bildende Künste, Hamburg 1994 als Meisterschülerin von Bernhard Johannes Blume und Franz Erhard Walther. Bereits während ihres Studiums stellte sie mit der Künstlergruppe Linde Ludeña Sierra (Almut Linde, Manuel Ludeña, Santiago Sierra) national und international aus.
Almut Linde ist die diesjährige Trägerin des von der Stiftung Kunstfonds vergebenen HAP Grieshaber Preises der VG Bild Kunst und nimmt unter anderem dieses Jahr an der Prague Triennale teil.
Dr. Heinrich-Wilhelm Wörmann und Karin Pott werden in die Ausstellung einführen.