Die vier „girls“, die mit ihrer Kunst die Studiogalerie im Haus am Lützowplatz zur club lounge umfunktionieren, verbindet, dass jede von ihnen bereits 1998 hier ausgestellt oder Events veranstaltet hat (Betty Stürmer DJ Everybody Installation und im Jahr darauf Betty-All kind of style, Danielle de Picciotto Crime War Corruption, Astrid Küver Souveniers, Maria-Leena Räihälä Fairytales).
Es eint die Künstlerinnen zudem, dass sie alle parallel sowohl in der Berliner Szene unterwegs sind und die Clubs für ihre Events und Aktionen nutzen als auch in etablierten Kulturinstitutionen und im kommerziellen Kunstbetrieb der Galerien präsent sind. Immer wieder kreuzten sich ihre künstlerischen Wege in verschiedenen Clubs oder alternativen Kulturplätzen der Szene.
Als ‚Die Fantastischen Drei’ präsentierten sich Betty Stürmer, Astrid Küver und Maria-Leena Räihälä gemeinsam in Frankfurt a.M., Astrid Küver und Danielle de Picciotto zeigten auch getrennt voneinander ihre Arbeiten in der Berliner all girls gallery. Maria-Leena Räihälä hat im Fischbüro und in der Ständigen Vertretung im Tacheles ausgestellt, wo auch Dr. Motte aufgelegt hat, mit dem wiederum Danielle de Picciotto die Love Parade initiierte. Betty Stürmer und Danielle de Picciotto sind sich u.a. bei Kunst und König oder BerliNapoli und der Maria am Ufer begegnet.
Trotzdem ist ihr jeweiliger künstlerischer Ansatz ganz individuell: Die Auftritte von Danielle de Picciotto sind glamourös-exzentrisch, die Inszenierungen von Betty Stürmer aufrührerisch-politisch, während Astrid Küvers Objekte immer eine hintersinnig-humorvolle Rolle spielen und Maria-Leena Räihälä, eigenwillig-sperrig in ihrer Position, gar nicht erst als ‚Clubkünstlerin’ bezeichnet werden möchte, obwohl sie ihre stark von Musik beeinflusste Kunst in den Clubs schon zu Beginn der Partybewegung gezeigt hat.
Club art, ursprünglich kaleidoskopisch aus Versatzstücken von Mode, Techno, Comic, Style, Nightlife, Groove entstanden als selbstdarstellender Ausdruck des Lebensgefühl der Szene, subversiv und rebellisch, ist inzwischen fast schon zum anerkannten Topos, zur Kategorie geworden.
Doch einer allzu festgelegten Definition ihres Tuns entziehen sich die vier Künstlerinnen noch immer. Club art ist ein durchaus fragmentales Phänomen, das von mehreren externen Kriterien bestimmt wird: den Clubbesuchern, der Musik, dem visuellen Aspekt der Lichtverhältnisse in dieser spezifischen Umgebung. Nicht in sich geschlossene Kunstwerke werden vor-produziert, sondern die synästhetischen Arbeiten entstehen prozesshaft und wechselwirkend durch die Kommunikation dieser Variablen. Dadurch werden die Freiräume der – bisweilen sogar zufällig konfrontierten – Betrachter vergrößert, nicht alles muss vorsätzlich als ‚Kunst’ rezipiert werden. Die Trennung zur Nicht-Kunst wird aufgehoben, überhaupt können in der nächtlichen Undergroud-Clubgängerszene andere Personen erreicht werden, als im konventionellen Kunstbetrieb.
Gerade die Studiogalerie, die sich immer wieder auch als Plattform für junge, neue und unkonventionelle Kunst begreift, eignet sich als gemeinsames Experimentierfeld für die vier Künstlerinnen, in das sie die Besucherinnen und Besucher integrieren können. Sie ist nicht klassischer white cube, sondern eine hybride Twilightzone für die Darstellung der vielfältigen, bunten, schrillen, ironischen Beiträge, die sich wie von selbst ergänzen, ohne direkt aufeinander bezogen zu sein.
Jessica Voigt
Coverbild: Betty Stürmer, Betty Party Lyrics, 1999.