Unsere Ausstellung „Ich war hier“ gibt einen Einblick in die zeitgenössische Kunstszene Estlands. Estland gehört heute zur EU. Früher war es eine Sowjetrepublik und Teil der UDSSR. In Tallinn, der Hauptstadt Estlands, die einmal Reval hieß und zur Hanse gehörte, leben ein Drittel der 1,3 Millionen Estländer. Seit 1991 hat sich dort mit der neuen Selbstän-digkeit Estlands eine lebhafte Kunstszene entwickelt. Hier gibt es z. B. zwei Kunst-Zeit-schriften, von denen die eine ganz, die andere teilweise in englischer Sprache erscheint.
Wir zeigen in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum in Tallinn (abgekürzt Kumu); dessen Direktorin Sirje Helme und dessen Kurator Hanno Soans Werke von 13 estländischen Künst-lerinnen und Künstlern. Diese Arbeiten, die in den letzten 10 Jahren entstanden, bedienen sich verschiedener Medien. Die Ausstellung wurde von Hanno Soans für das Haus am Lützowplatz zusammengestellt und kuratiert. Sie findet parallel zum art forum berlin statt. Unser Vorstandsmitglied Manfred Eichel hat sie initiiert. Er wird am 2. Oktober beim art forum berlin eine Diskussion über die Kunstszene Estlands moderieren.
Der Titel der Ausstellung „Ich war hier“ leitet sich von einer Arbeit Tõnis Saadojas ab, die Bild- und Textelemente mit einer Tonbandaufnahme zu einer audiovisuellen Installation vereint. Diese Installation greift ein bedeutungsschweres Bild des Waldes auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Tallinn aus Jaan Toomiks Kurzfilm „Kommunion“ auf und rückt es in einen gänzlich anderen Kontext. „Wenn es etwas gibt, was die estnische Gesellschaft von der Gegenwartskunst lernen könnte“, schreibt Hanno Soans, „dann ist es, dass alle Symbolik relativ, kontextgebunden ist.“ Diese Äußerung steht in einem Zusammenhang mit den Denkmalsausschreitungen am 26. April 2007 in Tallinn, bei denen es um das sowjetische Denkmal eines Soldaten in Bronze ging, der für einige die Massendemonstrationen Stalins, für andere den Sieg über Deutschland repräsentiert.
Die Ausstellung kann laut Hanno Soans natürlich nicht irgendeinen vagen estländischen Nationalcharakter einfangen oder eine Auswahl der „besten“ gegenwärtigen Kunstwerke bieten, auch wenn einige „Stars“ hier vertreten sind. Aber sie kann fragen, wie ein Ereignis wie das am 26. April 2007 eine Korrektur des Bild der Gegenwartskunst Estlands erforderlich macht. Und sie kann Einblicke geben in verschiedene Haltungen, Kunstpositionen und sich widersprechende Idiosynkrasien. Eine intakte Kunstszene brauche beides: den expressionistischen Aufschrei und das Spiel der Konzept-Kunst. Kunst spiegele nicht einfach den Zeitgeist und biete auch nicht einfach die Abbildung eines Traumas, sondern zeige eher eine verzögerte, eine mystifizierte oder eine kontextualisierte Gegenwart. Die Ausstellung spielt mit Positionsverschiebungen und Wechselwirkungen in einer existierenden Kunstszene. Sie soll ihren Besucherinnen und Besuchern zu sagen ermöglichen: Ich war hier und habe mir mein eigenes, subjektives Bild von der estländischen Kunstszene gemacht.
Beteiligte KünstlerInnen: Peeter Allik, Kadi Estland, Dimitri Gerassimov, Neeme Külm, Marko Laimre, Marko Mäetamm, Kristina Norman, Jüri Ojaver, Taavi Piibemann, Mark Raidpere, Tõnis Saadoja, Ene-Liis Semper, Jaan Toomik
Karin Pott, Manfred Eichel und Hanno Soans werden die Ausstellung eröffnen.