Eröffnung, 30. September, 18 Uhr
Ausstellung im IG Metall-Haus
Alte Jakobstraße 149, 10969 Berlin
http://www.igmetall-bbs.de/aktuelles/ausstellungen/
Öffnungszeiten:
Mo – Do von 9:00 bis 18:00 Uhr
Fr von 9:00 – 14:30
Eintritt frei
Der Zufall spielt in Katinka Pilscheurs Werk eine wichtige Rolle. Ohne sich auf ihn einzulassen, würde sie kaum die Dinge finden, die ihr Ausgangsmaterial darstellen und würden auch die Kombinationen der Dinge anders aussehen. Sowohl die Orte, an denen sie ausstellt, als auch Objekte und Farben, die sie meist zufällig findet, bestimmen ihre künstlerische Praxis. Oft sind es industriell hergestellte Produkte, aus denen Katinka Pilscheur ihre Arbeiten entwickelt. Auch die beiden Werke bzw. Werkgruppen, die in der Ausstellung im Haus der IG Metall zu sehen sind, machen hier keine Ausnahme: Vierkantrohre, Neonröhren, Messing und Autolack sind die zentralen Materialien.
Die Skulptur „13-09-2013“ ist aus geometrischen Grundformen konstruiert: Quadrat, Linie und Kreis. Ursprünglich entstanden für einen Ausstellungsraum in einem Altbau aus dem 19. Jahrhundert nahm sie dort die Proportionen des Stuckquadrats an der Raumdecke auf. In ihrer formalen Strenge und mit ihren Anklängen an Werke der Minimal Art tritt die raumgreifende Skulptur nun in einen spannungsreichen Dialog mit der Architektur Erich Mendelsohns und R.W. Reichels. Mit ihren stürzenden Linien, Diagonalen, Bögen und nicht zuletzt durch die integrierte bogenförmige, hell strahlende Neonröhre hat die Skulptur trotz ihrer Strenge etwas sehr Leichtes und Bewegtes. Formale Elemente, die auch für das Werk Mendelsohns stilbildend waren. Eine in Schräglage in das Gerüst der Skulptur eingespannte Tafel, die beidseitig mit nachtblauem BMW-Autolack lackiert und von einem Messingstab durchbohrt ist, reflektiert zudem die Strukturen des Raums aber auch des Stadtraums außerhalb der großen Schaufenster und stellt dadurch immer wechselnde Beziehungen zwischen Innen und Außen her.
„Tagsüber füllt sich die Stadt mit Energie. Nachts sprüht sie alles Leben von sich. Im Webnetz der Autolichter im Lichtruf der Geschäftsreklame, in den Vertikalen der Hochhauslichter. Lichtzirkus, nur ganz selten, wie hier im Rhythmus der Architektur …“
(Erich Mendelsohn, 1926)
Mit einer Auswahl von Bildtafeln, die in streng seriell in Reihen gehängt sind, kommt zudem Farbe in die Ausstellung: Perlgrau, Grasgrün, Zinnoberrot. Die Bilder sind monochrome Flächen in DIN-Proportionen, der Deutschen Industrienorm. Sie sind Teil einer fortdauernden Untersuchung Katinka Pilscheurs und ein Ausschnitt aus einer Art internationaler Grammatik der Farben, an der sie arbeitet.
In diesem Fall stammen die Farbtöne aus Kuba, wo Pilscheur wie auch schon andernorts speziell die ortsspezifischen Farben der Autolacke gesammelt hat. Die dort verwendete Palette ist eine ganz andere als in Deutschland oder Europa. Die Farben entsprechen keinem verbindlichen und industriell einfach reproduzierbaren Farbfächer, sondern werden in den Werkstätten und Lackierereien individuell angemischt. Dennoch lassen sich immer wiederkehrende Farbtöne ausmachen, die ihre ganz eigene Farbwelt mit sich bringen. Auf diese Weise sind die Bilder eine Art atmosphärisches Porträt Kubas und zugleich ein Spiel mit der Geschichte der Farbfeld- und der seriellen Malerei. Mit ihren glänzenden Flächen reflektieren auch diese Bildtafeln den Ausstellungsraum und das Leben, das innerhalb und außerhalb von ihm stattfindet.
Text: Christine Heidemann
Banner-Bild:
Katinka Pilscheur, Kuba Serie I, 2012
(Azul Métalico I Rojo Bermellon I Verde Jardin I Gris Perla)
Kubanischer Autolack auf Leinwand
Farbcode Sticker. je 99 x 70 x 6 cm
courtesy Galerie koal, Berlin
Foto: Berndt Borchardt