
Fotodokumentation aus der Sowjetunion im Jahre 1970
Ulrich Schede, Jahrgang 1945, studierte an der Hochschule der Künste in Berlin bei Hans Jaenisch. Nach seinem Abschluß als Meisterschüler 1971 widmete er sich vorwiegend der wissenschaftlichen Grafik in der Medizin und Archäologie. Das Haus am Lützowplatz zeigt von ihm in der Ausstellung „Klar, dass nicht alles bleibt, wie es war“ eine Auswahl von 80 Aufnahmen aus über 700 schwarz-weiß Fotografien, die im Rahmen einer Studienfahrt nach Moskau und Leningrad 1970 entstanden sind. Die Reise wurde von der Hochschule der Künste in Berlin organisiert und sollte eine Gruppe von Studenten mit dem Leben in der Sowjetunion anhand des Besuchs zweier Städte vertraut machen.
In dem Wechselspiel zwischen analytischer Herangehensweise und persönlichem Blickwinkel sind bei dieser Reise Fotografien entstanden, die das sowjetische Alltagsleben der 70er Jahre auf entwaffnend einfache Art in Bildern zeigen.
Weder verklären noch verurteilen diese Fotos die Vergangenheit. Sie halten statt dessen die Resultate einen Bildungsreise in eine fremde Welt fest, bei der die Reisegruppe diese wie auch sich gegenseitig besser kennen zu lernen versuchte. Das Spektrum der Fotografien reicht von den Menschenschlangen vor dem Lenin-Mausoleum bis zu halben Violinen, die man für 25 DM erstehen konnte, von einem leuchtendroten Transparent zu Lenins hundertstem Geburtstag bis zu Russen am Strand der Newa beim ersten Sonnenbad im Frühling, vom Fallschirmspringen im Gorkipark in Moskau bis zu den noch verkehrsarmen Strassen Moskaus und Leningrads, von ironischen Posen einzelner Russen vor der Kamera bis zu Blödeleien der Reisegruppe, die Distanz und Rückbesinnung auf sich selbst ermöglichten. Die fehlende Systematik bei der Auswahl der fotografierten Objekte verstärkt den Eindruck, hier einen ungefilterten Spiegel der Wirklichkeit vorgehalten zu bekommen. Als Führer wurde der Reisegruppe ein gut deutsch sprechender, junger Übersetzer gestellt, der aber selbst auch noch nicht mit Moskau und Leningrad wirklich vertraut war.
Die Fotos hat Ulrich Schede mit einer in Berlin 1968 gekauften russischen Leica gemacht, noch keiner Spiegelreflexkamera, sondern einer reinen Sucherkamera mit dem Gehäuse der Leica M8, die aber äußerst robust und mit einem 50 mm Objektiv ausgestattet war.
Karin Pott wird in die Ausstellung einführen.