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Vom 18. Mai bis 21. Juli 2024 präsentieren wir die Einzelausstellung Meme Me der Künstlerin Zohar Fraiman.
Eröffnung: 17. Mai 2024, um 19 Uhr
Das Haus am Lützowplatz präsentiert mit „Meme Me“ die erste institutionelle Einzelausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin Zohar Fraiman (*1987 in Jerusalem, Israel).
In mittel- und großformatigen Gemälden und zwei raumfüllenden Installationen führt uns die Künstlerin unsere Abhängigkeit von digitalen Devices und unsere Suche nach dem wahren Selbst in all seinen Absurditäten vor Augen. Schnell wird klar, dass Zohar Fraimans gemalte Protagonist*innen schwer mit sich allein sein können. Immer sind Smartphone, Tablet oder Telefon anwesend. Egal, ob beim Cocktail trinken, beim Käsekuchen essen, auf dem Sofa oder im Badezimmer; stets muss sich der eigenen Person vergewissert werden – durch einen Blick aufs Smartphone, in den Spiegel oder durch ein Selfie.
Der Titel der Ausstellung „Meme Me“ bezieht sich auf die Übertragung der Funktionsweise von Memes auf die Komposition ihrer Arbeiten. In Anlehnung an den berühmten Bildatlas Mnemosyne Aby Warburgs nutzt sie sowohl die klassische Kunstgeschichte, verschiedene Zeichentrickfilme und –serien als auch die Welt des Internets mit ihren Popsternchen und Celebrities als unerschöpflichen Bilderfundus.
Dirk von Gehlen bezeichnet Memes als „Ohrwürmer des Internets […], als optische Entsprechung einer Melodie, die im Kopf bleibt.“[1] Diese Analogie erklärt den Erfolg von Memes, da sich die Betrachtenden der ikonischen Bilder über das Wiedererkennen von vertrauten Inhalten freuen, diese adaptieren und so subtil eine wiederkehrende Symbolik entstehen lassen.
Dieser Methodik bedient sich Zohar Fraiman bei der Komposition ihrer Personen(gruppen), deren dekonstruierte Gesichter und Körper aussehen, als hätte die Kamera im Moment der Aufnahme versagt. Es sind geglitchte, meist aus mehreren Personen und Charactern zusammengesetzte Phantasiewesen, deren eigenwillige Kombinatorik zunächst Irritationen hervorruft und die Betrachtenden unmittelbar auffordert zu überlegen, woher die gesampelten Vorlagen stammen: Sind das wirklich Zendaya und Taylor Swift? Wurde der Bildaufbau nicht von einem Gemälde von Balthus übernommen? Hat nicht auch die Schule von Fontainebleau ein berühmtes Gemälde mit zwei Frauen in der Badewanne hervorgebracht?
Ihre großformatigen bonbonfarbenen Gemälde, die bezeichnenderweise Titel wie „Split Me Baby, One More Time“ (2022) tragen, funktionieren wie Memes, die unter der Oberfläche vermeintlichen Unsinns tiefgehende Fragen über zeitgenössische Repräsentationsformen jenseits von Geschlechterstereotypen stellen. Durch die Nebeneinanderstellung von Frauenfiguren wie etwa Sandro Botticellis Venus und Britney Spears Konterfei werden gesellschaftspolitische Topoi wie sich wandelnde Schönheitsideale verhandelt. In dem großformatigen Gemälde „Pretty, Please“ (2022) – benannt nach einem Popsong von Dua Lipa – sitzt eine telefonierende Figur auf dem Sofa, deren Gesicht das der US-amerikanischen Rapperin Princess Nokia ist, das mit dem der Meerjungfrau Arielle aus dem gleichnamigen Walt-Disney-Zeichentrickfilm überlagert ist. Princess Nokia, die sich öffentlich zu ihrer Bisexualität bekennt, Feministin und LGBTIQ-Aktivistin ist, lässt Zohar Fraiman eine malerische Verbindung mit Arielle eingehen, die mit ihrem Leben im Meer unzufrieden ist und sich nichts sehnlicher wünscht, als ein Mensch zu sein. Über dieser Comic-Mensch-Mixtur hängen fünfzehn Portraits weiblich gelesen Personen, die gängige Schönheitsideale transportieren und so in Frage stellen.
Zudem nutzt die Künstlerin häufig Charaktere aus Trickfilmen und -serien, um das Bildgeschehen zu kommentieren. So auch in der Arbeit „Selma and Patty“ (2022), in der die beiden häufig unattraktiv dargestellten Zwillingsschwestern aus der Trickfilmserie „Die Simpsons“ als Ahnenportraits in das Frauen-Doppelbildnis eingefügt sind.
Erstmals zeigt Zohar Fraiman zwei neue, partizipativ angelegte Installationen, die die Betrachtenden aktiv in den Prozess der Werkgenese einbeziehen.
Die erste raumfüllende Installation „Meme Me“ (2024) besteht aus sechs bemalten Holzmasken, die an farbigen Schnüren vor teilverspiegelten Wänden von der Decke hängen. Die Besucher*innen sind eingeladen, sich hinter oder zwischen die Masken in den verspiegelten Raum zu stellen, sich selbst zu memen und so Teil der Installation zu werden. Die an gegenüberliegenden Wänden befestigten Spiegel werden zu einem Infinity-Mirror, der den Effekt des Sich-Memens visuell veranschaulicht.
Auch die zweite raumfüllende Arbeit dieser Ausstellung „Face Off“ (2024) ist partizipativ angelegt: Auf einem lilafarbenen Teppich werden die Besucher*innen zu einem 2,30 x 3,30 m großen Foto-Stand-In geleitet, vor dem stehend sie entscheiden müssen, ob sie dahinter treten möchten, um ihr Gesicht in eines der vorhandenen Löcher zu stecken oder vor der Installation stehen zu bleiben, um ihn – bestenfalls mit durchgesteckten Gesichtern – zu fotografieren.
Die perspektivische Begrenzung des Raumes, das Körper-Raum-Verhältnis und die Farbigkeit lässt dabei an die Freskomalereien der italienischen Frührenaissance denken. Wie Masaccio in seinem berühmten „Zinsgroschen“ verbindet Zohar Fraiman mehrere Szenen einer Erzählung so, dass sie auf den ersten Blick wie ein formal und inhaltlich geschlossenes Ereignisbild wirken. Der gemalte Innenraum verbindet die dargestellten Figuren und zeigt Mulan aus dem gleichnamigen Walt-Disney-Film einmal als junges Mädchen und einmal als Soldat „Ping“, in den sie sich verwandelt, um statt des Vaters für die chinesische Armee zu kämpfen. Diese additive Bildkomposition rückt die dargestellten Figuren nahezu reliefartig in den Bildvordergrund und damit nah an die Betrachtenden.
In der Ausstellung setzt die Künstlerin durch die Verknüpfung von klassischer Maltechnik mit den Ikonen digitaler Kommunikation neue Impulse für eine der ältesten Gattungen der Kunstgeschichte.
Wir tauchen in die bunte Welt der Popkultur ein, in der Charaktere aus Disney-Filmen Popsternchen gegenübersitzen, die mürrisch in ihr Smartphone starren, uns damit den Spiegel vorhalten. In den Ausstellungsräumen werden unsere Gesichter und/oder Körper Teil der ganzen Szenerie und stellen die Frage nach unserer eigenen Position(ierung) innerhalb dieses bunten Treibens.
[1]Dirk von Gehlen, Meme: Digitale Bildkulturen. Wagenbach, 2020.
English version:
From 18 May to 21 July 2024 we present the solo exhibition Meme Me by the artist Zohar Fraiman.
Opening: 17 May 2024, at 7 pm
Haus am Lützowplatz presents „Meme Me“, the first institutional solo exhibition by Berlin-based artist Zohar Fraiman (*1987 in Jerusalem, Israel).
Through a series of medium and large-scale paintings alongside two immersive installations, Fraiman illuminates our entanglement with digital devices and our perpetual quest for authenticity and the true self amidst all absurdities. It becomes evident that Fraiman’s painted protagonists struggle with being alone for only a moment, constantly tethered to smartphones, tablets, and other gadgets. Whether sipping cocktails, indulging in cheesecake, lounging on sofas, or even in private moments in the bathroom, they seek reassurance of identity through screens, mirrors, or selfies.
The exhibition’s title, „Meme Me,“ alludes to the transference of meme dynamics into the composition of Fraiman’s works. Drawing from Aby Warburg’s renowned pictorial atlas Mnemosyne, she taps into classical art history, diverse animated films and series, and the expansive realm of the internet, with its array of pop stars and celebrities, as an endless wellspring of imagery.
Dirk von Gehlen eloquently portrays memes as the „catchy tunes of the internet,“ likening them to a visual melody that lingers in the mind. This analogy explains the widespread appeal of memes, as viewers delight in recognizing familiar content, adapting it, and thus subtly generating recurring symbolism.
Fraiman employs this approach in crafting her compositions, particularly evident in her portrayal of (groups of) people. Their deconstructed faces and bodies, usually composed of several people and characters, evoke a sense of photographic glitch, prompting viewers to question the origins of the sampled elements. Are these figures reminiscent of Zendaya and Taylor Swift? Could the composition have been inspired by a painting by Balthus? Didn’t the School of Fontainebleau also produce a famous painting of two women in a bathtub? The resulting juxtapositions invite contemplation, challenging the viewer to discern the interplay between familiar references and fantastical reinterpretations.
Her large-format candy-colored paintings, which suggestively bear titles such as „Split Me Baby, One More Time“ (2022), function like memes that, beneath the surface of supposed nonsense, pose profound questions about contemporary forms of representation beyond gender stereotypes. Through the juxtaposition of female figures such as Sandro Botticelli’s Venus and the likeness of Britney Spears, socio-political themes such as changing standards of beauty are explored. In the large format painting „Pretty, Please“ (2022) – named after a pop song by Dua Lipa – a figure engrossed in a phone conversation sits on a sofa, with the superimposed face of US rapper Princess Nokia overlaid onto that of the mermaid Ariel from the Walt Disney animated film of the same name. Princess Nokia, known for her public acknowledgment of bisexuality and her advocacy for feminist and LGBTIQ causes, allows Fraiman to facilitate a poignant connection with Ariel, who is dissatisfied with her life in the sea and wants nothing more than to be human. Hanging above this comic-human mixture are fifteen portraits of people read as women, which convey common ideals of beauty and thus call them into question.
The artist often employs characters from animated films and series to offer commentary on the narrative depicted in the artwork. This is also the case in the work „Selma and Patty“ (2022), where the two frequently depicted as unattractive twin sisters from the animated series „The Simpsons“ are seamlessly integrated into a double portrait, resembling ancestral figures.
For the first time, Zohar Fraiman presents two new participatory installations that engage viewers in the process of creating the work.
The first installation, „Meme Me“ (2024), fills the room with six painted wooden masks suspended from the ceiling by colorful strings, positioned before partially mirrored walls. Visitors are encouraged to stand amidst or behind the masks within the mirrored space, enabling them to meme themselves and become part of the installation. The mirrors, affixed to opposing walls, create an infinity mirror, visually amplifying the impact of meme-ing oneself.
The second room-filling installation in this exhibition, „Face Off“ (2024), is likewise interactive. Guided along a purple carpet, visitors are directed to a 2.30 x 3.30 meter photo stand-in. Here, they are presented with a choice: to step behind the photo stand-in and insert their face into one of the existing holes or to remain in front of the installation and capture a photograph, perhaps with some faces peeking through the holes.
The perspective limitation, interplay of body and space, and vibrant palette evoke parallels with the fresco paintings of the early Italian Renaissance. Much like Masaccio’s renowned „The Tribute Money“ fresco, Zohar Fraiman adeptly merges multiple narrative scenes into a visually cohesive composition, initially appearing as a singular, harmonious tableau.
Within this painted realm, characters are interconnected, with Mulan from the Disney film taking center stage. Here, she is portrayed both as a young girl and as the soldier „Ping,“ embodying her transformative journey to defend her nation of China in lieu of her father. This additive composition technique imbues the depicted figures with a sense of depth and immediacy, drawing the viewer into their compelling narrative. Within the exhibition, the artist revitalizes one of art history’s oldest genres by seamlessly blending classical painting techniques with contemporary icons of digital communication. As visitors, we find ourselves submerged in a vibrant realm of pop culture, where characters from Disney classics mingle with somber-faced pop idols engrossed in their smartphones. In the exhibition rooms, our faces and/or bodies become part of the whole scene and pose the question of our own position(ing) within this colorful hustle and bustle.
1. Dirk von Gehlen, Meme: Digitale Bildkulturen. Wagenbach, 2020.