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Eröffnung: Donnerstag, 22. August 2019, 19 Uhr
Radiosands ist eine begehbare Installation, in der mehrere gleichzeitig stattfindende Radiosendungen von einem KI-System manipuliert werden. Die Installation nutzt die Geschwindigkeit und Potenz digitaler Prozesse, um eine neue Erfahrung zu schaffen: Eine Echtzeit-Collage von klanglichen Fragmenten innerhalb einer raumgreifenden Skulptur.
Kuratiert für das Haus am Lützowplatz von Tina Sauerländer (peer to space)
„Wir leben online in unseren Filterblasen. Algorithmen sortieren die tägliche Informationsflut, damit wir aus ausgewählten Bruchstücken unsere eine eigene Realität bauen können. Wie kleine Sandkörner fügen wir die Fragmente zusammen, bis sie als Ganzes Sinn ergeben. Die begehbare Rauminstallation Radiosands reflektiert die Generierung, Verteilung und Wahrnehmung von Informationen im digitalen Zeitalter.
Radiosands umfasst 16 eigens für die Installation entworfene Radios gleicher Bauart. Sie schweben auf filigranen Sockeln wie auf Radiowellen im Ausstellungsraum. Die erklingenden Audiofragmente beruhen auf dem Suchergebnis von Algorithmen, die die Programme analoger UKW-Radiofrequenzen der Umgebung nach im Vorfeld festgelegten Begriffen durchforsten. Sie sind den Bereichen der politischen Entitäten, der Emotionen und der Wahrnehmung zuzuordnen und reflektieren das Leben in der heutigen Gesellschaft. Wie die Algorithmen auf Facebook wählen sie Informationen aus, die in Echtzeit auf den Radios zu hören sind. Auditive Ausschnitte aus verschiedenen Radiosendungen finden in der Ausstellung gleichzeitig zusammen und erzeugen eine Raumklanginstallation. Satzfragmente unterschiedlicher Herkunft bilden im Miteinander neue Bedeutungszusammenhänge. Das Klangbild von Radiosands ist stets ortsspezifisch, weil es das in der Umgebung stattfindende Geschehen über Radiofrequenzen in den Ausstellungsraum überträgt.
Ob Radio oder Internet: Unabhängig vom Medium durchlaufen alle Informationen einen mehrfachen Filterungsprozess, bis die Empfänger sie wahrnehmen. Ausgangspunkt ist die Intention der Absender, die über Inhalt, Formulierung und Distributionskanal entscheiden. Die Auswahl des Mediums, dessen Reichweite und Verbreitungsmöglichkeiten, legen die Sichtbarkeit der Informationen für bestimmte Gruppen fest. Die selektive Wahrnehmung und kulturelle Prägung der Empfänger sorgen dafür, dass wir für manche Informationen offener sind, als für andere. Aus den bei uns ankommenden Bruchstücken generieren wir eine sinnhafte Narration unserer Wirklichkeit.
Wie viele Bausteine benötigen wir eigentlich, um uns unsere Realität überzeugend herzustellen? Und wieviel Wahrheit steckt in ihr? Diese Fragen erinnern an den Weltenbau (englisch: Worldbuilding) der Science-Fiction und Fantasy-Literatur. Er beschreibt die Konstruktion eines imaginären, ganzheitlichen Kosmos mit all seinen Einzelzeilen, die für eine konsistente, glaubwürdige Welt notwendig sind. Das Endprodukt bezeichnet der Künstler Thom Kubli als granulare Wirklichkeit. Denn im Roman wie in der Realität kommt es darauf an, dass die Narration, in der wir die kleinteiligen Informationsschnipsel einbetten, stimmig und folgerichtig ist, um sie für wahr zu halten. Wir vergessen die Einzelteile und sehen nur das große Ganze, so wie Sand am Meer.“ (Ausstellungstext von Tina Sauerländer)
Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von Thom Kubli mit Wissenschaftler_innen des Instituts für Angewandte Simulation der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Künstlerische Idee, Projektleitung, Komposition: Thom Kubli
Wissenschaftliche Leitung ZHAW: Prof. Dr. Sven Hirsch
Computerlinguistik: Dr. Manuel Gil, Dr. Martin Schüle
Audioanalyse: Prof. Dr. Thilo Stadelmann, Daniel Wassmer, Tobias Schlatter
Programmierung: Lydia Ickler, Norman Juchler
Technik und Mechatronik: Florian Guist, Marek Olkusz, David Jaschik, Michael Barocca
Assistenz: Christian Maximilian Blasius
Mit freundlicher Unterstützung von Hauptstadtkulturfonds Berlin, Göhner Stiftung, Hasler Stiftung, Migros Kulturprozent, ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), HeK (Haus der elektronischen Künste Basel) und Speechmatics.
Banner-Bild: Jonas Blume
Opening: August 22, 2019, 7 p.m.
Installation by Thom Kubli with ZHAW/Sven Hirsch
Exhibition text by Tina Sauerlaender
We live in a filter bubble online. Algorithms sort through the daily flood of information so that we can select fragments to build our reality. Just as grains of sand, we assemble the pieces until they make sense as a whole. The installation Radiosands reflects the generation, distribution and perception of information in the digital age.
Radiosands is comprised of sixteen identical radios specifically designed for the installation. They float upon delicate pedestals as if on radio waves through the space. The audio fragments emitted from the radios are based on search results algorithms found in analog FM radio frequencies in the area. The search terms were predefined by the artist. They refer to political entities, emotions as well as perception and reflect life in today’s society. Like Facebook’s algorithms, they select information to be heard on the radios in real time. Audio excerpts from various broadcasts come together simultaneously in the exhibition and create a spatial installation of sound. Sentence fragments from different sources form new meanings together. The installations of Radiosands are always site-specific, because the events taking place in the surroundings are transmitted via radio into the exhibition space.
Radio or Internet—despite the medium, all information is repetitively filtered until the receivers perceive it. The starting point is the intention of the senders, who decide on the content, formulation and channel. The selection of the medium, its range and distribution determine how visible the information will be to specific groups. The recipients’ selective perception and cultural imprint makes them more open to some information than to others. Out of the fragments they receive, they generate a meaningful narration of our reality.
How many building blocks do we actually need to make our reality convincing? And how truthful is it? These questions are reminiscent of world building in science fiction and fantasy literature. It describes the construction of an imaginary, holistic cosmos with many single components necessary for a consistent, credible world. The end product is what the artist Thom Kubli calls “granular reality.” In novels as in reality, it is important that we embed these small pieces of information in a narrative both coherent and consistent to make it ring true. We may then forget the single parts and see only the big picture, like sand on the beach.
The exhibition Radiosands at the Haus am Lützowplatz is curated by Tina Sauerlaender (peer to space).
The project is a collaboration between Thom Kubli with the research team of Dr. Sven Hirsch the Institute for Applied Simulation at the Zurich University of Applied Sciences.
Artistic Idea, Composition: Thom Kubli
Research Direction ZHAW: Dr. Sven Hirsch
Computer Language: Dr. Manuel Gil, Dr. Martin Schüle
Audio analysis: Prof. Dr. Thilo Stadelmann, Daniel Wassmer, Tobias Schlatter
Programming: Lydia Ickler, Norman Juchler
Technology and mechatronics: Florian Guist, Marek Olkusz
Assistant: Christian Maximilian Blasius
With the helpful support of: Hauptstadtkulturfonds Berlin, Ernst Göhner Stiftung, Hasler Stiftung, Migros Kulturprozent, ZHAW (Zurich University of Applied Sciences), HeK Basel and Haus am Lützowplatz.
Special thanks to Speechmatics for making the Speech Recognition Engine available.
Banner image: Jonas Blume