Der 1973 in Peru geborene Künstler Antonio Gonzales Paucar verließ die Universität der Künste 2005 als Meisterschüler von Professor Rebecca Horn. Wir freuen uns, auch in diesem Jahr wieder das Werk eines ihrer besten Meisterschüler der Berliner Öffentlichkeit vorstellen zu können.
Das künstlerische Œuvre Gonzales Paucars ist eng mit dem eigenen Körper verknüpft: Sein Körper ist der Mittelpunkt seiner Performances. Er ist der Hauptdarsteller seiner Videoinstallationen. Und selbst dann, wenn er unsichtbar bleibt, ist er doch der Motor, der im Verborgenen die sichtbaren Prozesse auslöst. Gonzales Paucar interessieren die verschiedenen Erscheinungs¬formen, in denen ein Mensch rezipiert und wahrgenommen werden kann.
Wie ein Schamane verzaubert er die Zuschauer mit einfachen Mitteln. Mit seinem Körper, mit seinen Haaren, mit seinen Händen führt er sie auf eine Reise in eine andere Welt. In ihr denkt man nicht an ihren Schöpfer Gonzales Paucar, sondern an den Ruf eines Vogels, an exotische Gerüche, Pflanzen und Tiere, an den Amazonas oder an Fliegen. Diese hat der gelernte Imker aber selbst gezüchtet, bevor er sie in seinen Installationen verarbeitet.
In seiner Installation Schuhe, die die Stille brechen (2008) konfrontiert der Künstler die Betrachter mit einer menschlichen Figur, die aus an Schnüren befestigten Fliegenkadavern besteht. Er spielt mit den Wahrnehmungsgewohnheiten der Besucher und ruft so äußerst heterogene Reaktionen hervor. Nicht an singulären Interpretationsmustern interessiert, weckt er Assoziationen, die sowohl individuell wie kulturell unterschiedlich sein können.
Das Spiel mit der An- und Abwesenheit des Menschen manifestiert sich auch in seiner eigenen Person. So tritt Gonzales Paucar in seiner Performance Kokon (2008) nicht sichtbar in Erscheinung: In einer Art metaphysischer Hyperpräsenz schrauben sich Graphitspuren wie von Geisterhand an den Wänden eines hölzernen Sechsecks empor. Fragen nach der Technik und dem unmittelbaren Einfluss des Künstlers bleiben dabei bewusst unbeantwortet.
Ähnlich verhält es sich in der Videoperformance Homenaje a Goya (2008), in der der Hauptdarsteller – wieder gespielt von Gonzales Paucar selbst – durch die Konfrontation mit Linien, Kreisen und unterschiedlichsten Figurationen aus seinem somnambulen Schlaf gerissen wird.
In Gonzales Paucars jüngsten Arbeiten ist ein verstärktes Interesse an der Zeichnung spürbar: Zeichnungen sind Teil seiner Performances, seiner Installationen und einige – das ist neu – sind auch losgelöst von diesem Kontext. Seine Zeichnungen im Tanz (2008) sind aus umgebauten und umfunktionierten Kreiseln entstanden, die den Betrachtern wieder das Rätsel ihrer Herstellung aufgeben.
Klar an dem Werk von Gonzales Paucar ist nur eins: Dass nichts eindeutig sein soll. Er spielt mit dem Verschwimmen der Grenzen von Perzeption, Ratio und Metaphysik – körperbetont, archaisch, praktisch, einfach – und tief ergreifend.
Karin Pott und Dr. Alexandra von Stosch werden in die Ausstellung einführen.